Es wird wieder einmal Zeit für einen neuen Artikel aus der Reihe „Gestaltgesetze“. Nachdem wir uns in Teil 5 das Gesetz der Geschlossenheit angesehen haben, soll nun ein wenig Bewegung in die ganze Sache kommen.
Wir erinnern uns: Die Gestaltgesetze beschreiben, wie wir das Gesehene nach verschiedenen Kategorien als möglichst einfache Formen wahrnehmen und diese nach unterschiedlichen Faktoren gruppieren, z.B. nach ihrer Nähe zueinander. Bisher haben wir aber nur statische Grafiken betrachtet. Doch wie sieht es mit bewegten Objekten aus? Grundsätzlich spielen zwar die bisher besprochenen Gesetze auch eine Rolle, aber sie werden von neuen Faktoren überlagert.
Schauen wir uns zunächst einmal diese Beispielanimation an:
Nach dem Gesetz der Ähnlichkeit wäre eine Zusammenfassung der beiden Quadrate in eine Gruppe und eine Zusammenfassung der Kreise in eine weitere Gruppe naheliegend. Aber schnell fällt auf: Eher wirken jeweils die beiden Objekte zusammengehörig, die sich in die gleiche Richtung bewegen. Offenbar spielt die gemeinsame Bewegung bei einer Animation eine übergeordnete Rolle. Genau darum geht es beim Gesetz der gemeinsamen Bewegung (oder auch: das Gesetz des gemeinsamen Schicksals). Folgende Faktoren kommen bei einer Bewegung hinzu:
- Richtung: Objekte, die sich in die gleiche Richtung bewegen
- Geschwindigkeit: Objekte, die sich mit gleicher Geschwindigkeit bewegen
- Start und Ende: Objekte, die an der selben Stelle und/oder zum selben Zeitpunkt mit der Bewegung beginnen; Objekte, die sich im gleichen Gebiet bewegen
- Bewegungsform: Objekte, deren Bewegung in ähnlicher Form abläuft (z.B. spiralförmige Bewegungen, Rotation, etc.)
Hier kommt es natürlich auch wieder auf die geschickte Kombination der einzelnen Faktoren an. Ist z.B. Objekt 1 trotz gleicher Richtung deutlich schneller als Objekt 2, dann wird der Effekt der gleichen Richtung entsprechend gedämpft.
Dennoch sind die „klassischen“ Gestaltgesetze, die wir in Bezug auf statische Abbildungen kennen, natürlich nicht überflüssig. Im obigen Beispiel wäre der Gruppierungseffekt noch deutlich verstärkt, wenn sich die beiden Kreise in eine Richtung und die beiden Quadrate in die entgegengesetzte Richtung bewegen würden. Oder denken wir einfach an die Geschlossenheit: Wie würde das Beispiel wohl wirken, wenn wir die oberen durch eine Linie von den unteren Objekten trennen?
Sollten wir also Programme oder Webseiten designen, die Bewegungen enthalten, so müssen wir uns fragen, welche Elemente als Einheit aufgefasst werden sollen. Ebenso sollten wir Geschwindigkeiten und Richtungen ganz bewusst variieren, wenn wir z.B. in einem Computerspiel durch die Bewegung von Objekten eine Umgebung (sagen wir computergesteuerte Menschen in einer Stadt) lebendig erscheinen lassen wollen. Bewegt sich alles mit gleicher Geschwindigkeit oder bewegen sich viele Objekte in die gleiche Richtung, würde so ein unnatürliches Muster entstehen.
Da die Bewegung aber auch die anderen Gestaltgesetze überdecken kann, sollten wir sie nur ganz bewusst da einsetzen, wo sie auch wirklich notwendig ist. Mal davon abgesehen, dass eine Webseite in wilder Bewegung selbst bei guter Gestaltung nach kurzer Zeit nervt, erschweren wir dem Nutzer sonst die Zuordnung von Objekten in die vom Designer angedachten Gruppen.
Apropos Webseiten in wilder Bewegung: Blinkeffekte in gleicher Geschwindigkeit zählen auch als gemeinsame Bewegung. Blinken z.B. einzelne Wörter in einem Satz, dann neigt der Betrachter auf den ersten Blick dazu, die blinkenden Elemente als erste, und die statischen Elemente als zweite Einheit aufzufassen, statt den Satz sofort als Ganzes wahrzunehmen. Deswegen gilt auch hier: Nur vorsichtig und sparsam verwenden!